Klimamodelle der neuesten Generation 6, kurz CMIP6, werden derzeit verwendet, um künftige Klimaveränderungen zu interpretieren. Sie dienen damit gleichzeitig auch politischen Entscheidungsträgern als Orientierungshilfe. Die Erwärmungswirkung des CO2 ist noch immer schlecht bekannt. Im 5. Klimazustandsbericht gab der Weltklimarat IPCC für die sogenannte CO2-Klimasensitivität eine sehr breite Unsicherheitsspanne an. Sie reichte von 1,5 bis 4,5 Grad Erwärmung pro CO2-Verdopplung. Eine ähnlich große Spanne ergaben jetzt die knapp 40 für den 6. Klimazustandsbericht speziell programmierten Klimamodelle. Ihre Gleichgewichts-Klimasensitivität, die ECS, variiert von 1,8 bis 5,7 Grad Erwärmung pro CO2-Verdopplung. Eine enorme Unsicherheits-Bandbreite. Umso unverständlicher ist es, dass der IPCC in seinem 6. Klimabericht die übergeordnete Möglichkeits-Spanne auf jetzt 2,5 bis 4,0 Grad begrenzt. Die eigenen Modelle sagen etwas ganz anderes.
Ein genauer Blick auf die Klimamodelle lohnt sich
Nicola Scafetta von der „University of Naples Federico II” hat die Modelle nun näher unter die Lupe genommen. Bei solch starken Abweichungen der Klimamodelle ist es angezeigt, die zuverlässigsten herauszufiltern, und eher unwahrscheinliche außen vor zu lassen. Im Fachblatt „Climate“ veröffentlichte Scafetta im Oktober 2021 das Resultat seiner systematischen Bewertung der Modelle. Er überprüfte bei 38 CMIP6-Modellen, wie gut sie die gemessene Erwärmung der vergangenen 40 Jahre reproduzieren können. Als Kalibrierungsdatensatz verwendete er zwei Reihen des Copernicus Climate Change Service (ERA5) sowie eine Satellitenmessreihe der University of Alabama in Huntsville. Scafetta identifizierte mehrere Problemfelder.
Ergebnisse die Fragen aufwerfen
So überschätzen die meisten der untersuchten Klimamodelle die in den letzten 40 Jahren beobachtete Erwärmung. Außerdem gibt es große Unterschiede zwischen den einzelnen Modellen bei der Rekonstruktion der klimatischen Veränderungen in der Arktis. Weiterhin wird die Meerestemperatur in der Regel stärker überschätzt als die Landtemperatur. Auch in großen Teilen der mittleren Breiten gehen die Modelle von einer zu hohen Erwärmung aus.
Scafetta ermittelte auch für jedes Modell den Prozentsatz der Erdoberfläche, bei dem die Diskrepanz zwischen Modell und Daten einen gewissen Grenzwert überschritt. Dabei zeigt sich, dass die Modelle mit niedrigen Klimasensitiviätswerten deutlich besser abschneiden als die Modelle mit höheren Werten. Der italienische Klimaforscher empfiehlt daher, vor allem die Klimamodelle mit niedrigen Klimasensitivitäts-Werten für Vorhersagen und politisch relevante Entscheidungen zu verwenden. Die fehleranfälligeren Modelle mit höheren Klimasensitivitätswerten sollten ausgeklammert werden, da ihre Güte für praktische Anwendungen nicht ausreicht.
Natürliche Klimaschwingungen werden ignoriert
Im Durchschnitt weichen die theoretischen Werte der CMIP6-Klimamodelle über mehr als 50 Prozent der Erdoberfläche um mehr als 0,2 Grad von den Messdaten ab. Dieses Ergebnis deutet darauf hin, dass der Klimawandel und seine natürliche Variabilität von den CMIP6-Klimamodellen nach wie vor nur unzureichend modelliert werden. Schließlich fordert Scafetta, dass in zukünftige Modelle auch natürliche Klimaschwingungen integriert werden. Nach Behebung aller Fehler, könnten die verbesserten Klimamodelle dabei helfen, den wahren Wert der CO2-Klimasensitivität einzugrenzen. Nicola Scafetta geht davon aus, dass der tatsächliche Wert der Gleichgewichts-Klimasensitivität zwischen einem und zwei Grad pro CO2-Verdopplung liegen könnte. Dies würde eine moderate Erwärmung für die nächsten Jahrzehnte bedeuten. Die Studie erschien im Oktober 2021 im Fachblatt „Climate“.
Dieser Artikel ist ein Teil der Folge 90 der Klimaschau von Dr. Sebastian Lüning. Die Klimaschau informiert über Neuigkeiten aus den Klimawissenschaften und von der Energiewende. Weitere Themen im Video: Extremwetter-Schwankungen in Australien, Wer hat Schuld am Insektensterben?
Links:
Scafetta 2021: https://www.mdpi.com/2225-1154/9/11/161